Raoul Heinrich Francé (Geburtsname: Rudolf Heinrich Franzé[1]; * 20. Mai 1874 in Altlerchenfeld, Wien, Österreich; † 3. Oktober 1943 in Budapest, Ungarn) war österreich-ungarischer Botaniker, Mikrobiologe, Natur- und Kulturphilosoph. Sein botanisches Autorenkürzel lautet „Francé“.
Raoul Heinrich Francé studierte als Autodidakt sehr früh analytische Chemie und Mikrotechnik. Mit 16 Jahren wurde er jüngstes Mitglied der Königlich-Ungarischen Naturwissenschaftlichen Gesellschaft, als deren stellvertretender Zeitschriftenredakteur er von 1893 bis 1898 arbeitete. Ab 1897 studierte Francé acht Semester Medizin und wurde Schüler des ungarischen Protozoenforschers Geza Entz. In dieser Zeit führte er vierzehn botanische Forschungsreisen durch. 1898 wurde er als stellvertretender Leiter des Institutes für Pflanzenschutz der Landwirtschaftlichen Akademie nach Ungarisch-Altenburg berufen. Hier veröffentlichte er sein erstes naturphilosophisches Werk. Daraufhin erhielt Francé 1902 die Aufforderung, nach München zu kommen. 1906 gründete er die Deutsche Mikrologische Gesellschaft und deren Institut, dem er als Direktor vorstand. Er war Herausgeber der Zeitschrift dieser Gesellschaft und Mitbegründer des Mikrokosmos (1907). Weiteren Schriftenreihen stand er als Herausgeber vor, so dem Jahrbuch für Mikroskopiker und der Mikrologische Bibliothek, und zeitweise gab er die Zeitschrift für den Ausbau der Entwicklungslehre heraus.[2]
Im Jahre 1906 initiierte Francé das achtbändige Monumentalwerk „Das Leben der Pflanze“, dessen vier erste Bände (1906–1910) aus seiner eigenen Feder stammen. Dieses Werk wurde vom Verlag als ein „Pflanzen-Brehm“ beworben. Francé gilt als Entdecker des Edaphon. 1922 veröffentlichte er eine volkstümliche Fassung der wissenschaftlichen Erkenntnisse über die Bodenlebewelt in dem Kosmos-Bändchen Das Leben im Ackerboden.
Im Laufe seines arbeitsreichen Lebens schrieb er 60 Bücher und eine Vielzahl von populärwissenschaftlichen Artikeln und Schriften. Im Walter Seifert Verlag war er Herausgeber der Zeitschrift Telos – Halbmonatsschrift für Arbeit und Erfolg. Als anerkannter graphischer Künstler entwickelte Francé die Technik des Federstiches, die im Kupferstich wurzelt.
Weitere Stationen seines Lebens sind Dinkelsbühl, Breslau, Salzburg und Dubrovnik-Ragusa. In seinem Leben schrieb er viele Bücher, die moderne ökologische Ideen vorwegnahmen. Francé starb 1943 in Budapest an Leukämie. Er liegt zusammen mit seiner Frau in Oberalm, Österreich, begraben.
Würdigung
Neben dem heute ungleich mehr gewürdigten Wilhelm Bölsche war Francé ein herausragender Wissenschaftspopularisierer um 1900 und bis in das erste Drittel des 20. Jahrhunderts hinein. Er verband das Eintreten für eine moderne Entwicklungslehre mit einem zeittypischen Vitalismus und einer versöhnlichen Naturphilosophie. Auch die ökologische Landwirtschaft gründet sich teilweise auf Erkenntnisse Francés, die in seinen Büchern Das Edaphon (1913) und Das Leben im Ackerboden veröffentlicht und als Serie in der Zeitschrift Kosmos einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden. Diese wissenschaftliche Quelle wird jedoch meist verschwiegen.
Seine Frau Annie Francé-Harrar, eine bekannte Biologin und Autorin, arbeitete lange Jahre mit ihm zusammen und setzte nach seinem Tod 1943 einen Teil seines Lebenswerkes fort.
Heute wird Raoul H. Francé als Begründer der Biotechnik wiederentdeckt. Zahlreiche seiner damals wie heute fortschrittlichen Ideen erlangten erst Ende des 20. Jahrhunderts ihre Würdigung.
In München und in Dinkelsbühl trägt eine Straße seinen Namen.
Die Alpen gemeinverständlich dargestellt. Leipzig 1912
Die silbernen Berge. Stuttgart 1912
Die Welt der Pflanze. Berlin 1912
Das Edaphon. Untersuchungen zur Oekologie der bodenbewohnenden Mikroorganismen. München 1913
Die Gewalten der Erde. Berlin 1913
Spaziergänge im Hausgarten. Leipzig 1914
Die technischen Leistungen der Pflanzen. (Grundlagen einer objektiven Philosophie II). Leipzig 1919
Einführung in die wissenschaftliche Photographie. Gemeinsam mit Gambera. Stuttgart 1920
Das Gesetz des Lebens. Leipzig 1920
Der Weg der Kultur. Leipzig 1920
Die Pflanze als Erfinder. Stuttgart 1920
München. Die Lebensgesetze einer Stadt. (Grundlagen einer objektiven Philosophie III. Teil). München 1920
Zoesis. Eine Einführung in die Gesetze der Welt. München 1920
Bios. Die Gesetze der Welt. (Grundlagen einer objektiven Philosophie IV-V. Teil). Stuttgart und Heidelberg 1921
Das Leben der Pflanze. Stuttgart 1921
Das Leben im Ackerboden. Stuttgart 1922
Die Kultur von morgen. Ein Buch der Erkenntnis und der Gesundung. Dresden 1922
Ewiger Wald. Ein Buch für Wanderer. Leipzig 1922
Süd-Bayern. Berlin 1922
Das wirkliche Naturbild. Dresden 1923
Der unbekannte Mensch. Stuttgart und Heilbronn 1923
Die Entdeckung der Heimat. Stuttgart 1923
Die Welt als Erleben. Grundriß einer objektiven Philosophie. (Grundlagen einer objektiven Philosophie VI). Dresden 1923
Plasmatik. Die Wissenschaft der Zukunft. Stuttgart und Heilbronn 1923
Das Buch des Lebens. Ein Weltbild der Gegenwart. Berlin 1924
Die Seele der Pflanze. Berlin 1924
Grundriß einer vergleichenden Biologie. (Grundlagen einer objektiven Philosophie I). Leipzig 1924
Richtiges Leben. Ein Buch für jedermann. Leipzig 1924
Telos, die Gesetze des Schaffens. Dresden 1924
Das Land der Sehnsucht. Für den Bücherkreis verlegt d.J.H.W.Dietz Nachf. Berlin 1925
Der Dauerwald. 1925
Der Ursprung des Menschen. Stuttgart und Heilbronn 1926
Bios – Die Gesetze der Welt. Taschenbuchausgabe Leipzig: Kröner 1926
Harmonie in der Natur, Kosmos Gesellschaft der Naturfreunde, Franckh'sche Verlagshandlung, Stuttgart 1926[4]
Der Weg zu mir. Der Lebenserinnerungen erster Teil. Leipzig 1927
Phoebus. München 1927
Vom deutschen Walde. Berlin 1927
Der Organismus. München 1928
Naturgesetze der Heimat. Wien und Leipzig 1928
Urwald. Stuttgart 1928
Welt, Erde und Menschheit. Berlin 1928
Die Waage des Lebens. Eine Bilanz der Kultur. Leipzig 1929
So musst du leben! Eine Anleitung zum richtigen Leben. Dresden 1929
Das Leben vor der Sintflut. Berlin 1930
Korallenwelt. Der siebente Erdteil. Kosmos, Gesellschaft der Naturfreunde, Franckh'sche Verlagshandlung, Stuttgart 1930
Lebender Braunkohlenwald. Eine Reise durch die heutige Urwelt. Stuttgart 1932
Naturbilder. Wien 1932
Braunkohle – Sonnenkraft. Berlin 1934
Von der Arbeit zum Erfolg. Ein Schlüssel zum besseren Leben. Dresden 1934
Sehnsucht nach dem Süden. Gemeinsam mit Annie Francé-Harrar. Leipzig 1938
Luft als Rohstoff. 1939
Lebenswunder der Tierwelt. Eine Tierkunde für Jedermann. Berlin 1940
Leben und Wunder des deutschen Waldes. Berlin 1943
Das Leben im Boden. Das Edaphon. Neuausgabe der Bücher von 1913 und 1922 (Das Leben im Ackerboden). Einführung von René Roth, Ontario / Kanada. München o.J. (um 1981).
Die Entdeckung der Heimat. Neuausgabe des Buches von 1923. Mit einer Einführung von Gerhard Tenschert. Asendorf 1982
Literatur
Francé Raoul H.. In: Österreichisches Biographisches Lexikon 1815–1950 (ÖBL). Band1, Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 1957, S.341.
Peter Bernhard: Der Philosoph des Funktionalismus im Widerstreit mit der modernen Kunst. Raoul Francé und das Bauhaus. In: Ute Ackermann, Kai Uwe Schierz, Justus H. Ulbricht (Hrsg.): Streit ums Bauhaus, Glaux Verlag, Jena 2009, ISBN 3-978-940265-22-7 (formal falsch), korrekte ISBN 978-3-940265-22-7, S. 142–149.
Martin Müllerott:Francé, Raoul. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band5, Duncker & Humblot, Berlin 1961, ISBN 3-428-00186-9, S.313f.(Digitalisat).
K. Henkel: Die Renaissance des Raoul Heinrich Francé.Mikrokosmos, 86 (1): 3–16, 1997
W. Nachtigall: Der Bildungswert der Kleinwelt. Was bedeuten R. H. Francés „Gedanken über mikroskopische Studien“ für unsere Zeit?Mikrokosmos, 86 (6): 321–328, 1997
Andreas W. Daum: Wissenschaftspopularisierung im 19. Jahrhundert. Bürgerliche Kultur, naturwissenschaftliche Bildung und die deutsche Öffentlichkeit, 1848–1914. 2., erg. Aufl., Oldenbourg, München 2002, ISBN 978-3-486-56551-5.
http://www.stiftung-france.de Stiftung zum Erhalt der Literatur von Raoul Heinrich Francé und Annie Francé-Harrar mit umfangreicher Sammlung digitalisierter Werke.
Einzelnachweise
René von Romain Roth:Raoul H. Francé And The Doctrine Of Life. ISBN 1-58721-289-7.
Andreas W. Daum:Wissenschaftspopularisierung im 19. Jahrhundert. Bürgerliche Kultur, naturwissenschaftliche Bildung und die deutsche Öffentlichkeit, 1848–1914. Oldenbourg, München 2002, S.372–374,487.
Другой контент может иметь иную лицензию. Перед использованием материалов сайта WikiSort.org внимательно изучите правила лицензирования конкретных элементов наполнения сайта.
2019-2025 WikiSort.org - проект по пересортировке и дополнению контента Википедии