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Carl Friedrich Philipp Martius, ab 1820 Ritter von Martius, (* 17. April 1794 in Erlangen, Ansbach-Bayreuth; † 13. Dezember 1868 in München, Königreich Bayern) war ein deutscher Naturforscher, Botaniker und Ethnograph. Sein offizielles botanisches Autorenkürzel lautet „Mart.

Carl Friedrich Philipp von Martius
Carl Friedrich Philipp von Martius

Leben und Wirken


Hof-Apotheke in Erlangen, Geburtshaus von Carl Friedrich Philipp von Martius
Hof-Apotheke in Erlangen, Geburtshaus von Carl Friedrich Philipp von Martius
Carl Friedrich von Martius, ca. 1860
Carl Friedrich von Martius, ca. 1860
Gedenktafel für Martius an seinem früheren Wohnhaus in München, Barer Straße, südlich des Karolinenplatzes, heute ein Gebäude der Hochschule für angewandte Wissenschaften. Die Tafel wurde auf Initiative des Staates Brasilien angebracht.
Gedenktafel für Martius an seinem früheren Wohnhaus in München, Barer Straße, südlich des Karolinenplatzes, heute ein Gebäude der Hochschule für angewandte Wissenschaften. Die Tafel wurde auf Initiative des Staates Brasilien angebracht.

Carl Friedrich Philipp von Martius war der Sohn des Erlanger Hofapothekers Ernst Wilhelm Martius (1756–1849), der seit 1818 der erste Dozent für Pharmazie an der Erlanger Universität war. 1810 nahm Carl Friedrich Philipp von Martius das Studium der Medizin in Erlangen auf. Während seiner Zeit in Erlangen lernte er Franz von Paula Schrank und Johann Baptist von Spix kennen. Angeregt durch diese Bekanntschaft und seinem Hobby, der Botanik, folgend, bewarb er sich 1813 um die Aufnahme des damals an der Bayerischen Akademie der Wissenschaften bestehenden Eleven-Instituts. Nach bestandener Aufnahmeprüfung wurde er am 13. Mai 1814 in das Institut aufgenommen und dem Botaniker Franz von Paula Schrank als Gehilfe bei der Leitung des neu gegründeten Botanischen Gartens unterstellt. Noch im gleichen Jahr promovierte er zum Doktor der Medizin und Chirurgie. 1817, erst 23 Jahre alt, veröffentlichte er sein erstes großes wissenschaftliches Werk, die „Flora cryptogamica Erlangensis“, eine Beschreibung der Pflanzenwelt in und um Erlangen. Im Jahr 1816 wurde er zum Mitglied der Leopoldina gewählt.


Die Brasilienreise


Von 1817 bis 1820 unternahm Carl Friedrich Philipp von Martius im Auftrag von König Maximilian I. von Bayern zusammen mit Johann Baptist von Spix eine Forschungsreise nach Brasilien. Die Gelegenheit dazu ergab sich, als Maria Leopoldine von Österreich den Kronprinzen und späteren Kaiser von Brasilien, Dom Pedro, heiratete und der bayerische König der österreichischen Erzherzogin zwei Naturforscher als Mitglieder der Österreichischen Brasilien-Expedition empfahl.[1]

Während der Brasilienreise erkundete er unter anderem den Amazonas und unternahm umfangreiche Forschungen zur tropischen Pflanzenwelt. Mit besonderer Aufmerksamkeit widmete er sich hierbei den Palmen, was dazu führte, dass Martius auch als der „Vater der Palmen“ bekannt wurde. Auch mit tropischen Heilpflanzen beschäftigte er sich. Spix und Martius brachten insgesamt 85 Arten Säugetiere, 350 Vögel, 130 Amphibien (nach heutigem Verständnis Amphibien und Reptilien), 116 Fische, 2700 Insekten sowie 6500 Pflanzen und Samenkörner von ihren Reisen mit nach München.[2] Für Wissenschaftler und Biologen bieten viele der mitgebrachten konservierten Tiere und Pflanzen wichtige Informationen, da manche dieser Spezies nicht mehr existieren, oder nicht mehr lange existieren werden. Martius und Spix entdeckten auf ihrer Reise zudem die Fossilien der Santana-Formation.

Außerdem erforschte Martius intensiv das Leben, die Kultur und die Sprachen der brasilianischen Indianer, insbesondere der Tupí. Seine ethnographischen Beschreibungen werden heutzutage kritisch gesehen, weil er sich einer rassistischen Physiognomik bediente, für die ihm die Schriften von Christoph Meiners als Vorbild dienten.[3] So schrieb Martius über die indigenen Carirís und Sabujás:

„Sie sind indolent, faul und träumerisch, stumpf für den Antrieb anderer als der niedrigsten Leidenschaften, und stellen auch in ihren kleinlichen Gesichtszügen diesen Zustand von moralischer Verkümmerung dar.“

Andererseits hat Martius in einem Roman, der 1831 als Manuskript vorgefunden und 1992 veröffentlicht wurde,[4] Land und Leute des Amazonasbeckens nicht nur negativ einschätzt, sondern kommt zu einer positiven Gesamtbewertung, die er seinem Protagonisten in den Mund legt (S. 146):

„Was ich vor Allem gewonnen, ist die Achtung vor einer Menschheit, die mir sonst nur wie ein verworfener Haufe von Unglücklichen erschienen war. Ja, der Mensch ist nicht blos überall derselbe an Gemüth und Geist; überall ist er auch organisirt für sein Glück. […] In der Tath, ein hoher Gewinn, ein wahrer Segen ist meine höhere Achtung, darum meine wärmere Liebe zu a l l e n Menschen, wie immer ihre Haut gefärbt sey! […].“

Martius brachte aus Brasilien zwei Kinder von den indigenen Völkern der Juri und Miranha nach München mit. Diese wurden Johannes und Isabella getauft. Martius hatte sie als Sklaven gekauft, dies aber später als schweren Fehler erkannt. Da sie aus verschiedenen Ethnien stammten, konnten sie sich nicht miteinander verständigen. Sie starben trotz guter medizinischer Fürsorge schon bald.[5] (Siehe auch Grabrelief der Indianerkinder Juri und Miranha.)

Auf dem Amazonas hatte Martius 1819 beinahe Schiffbruch erlitten. Als Dank für seine Rettung stiftete er ein Kreuz für die Kirche Nossa Senhora da Conceiçao in Santarém, das nach seiner Rückkehr in Deutschland hergestellt und nach Brasilien verschifft wurde.[6]


Beitrag zur Geschichtsschreibung Brasiliens


1840 richtete das Instituto Histórico e Gegráfico Brasileiro einen Wettbewerb aus, mit dem Ziel das beste Konzept für eine offizielle Geschichte Brasiliens mit einer Goldmedaille zu prämieren. 1843 reichte Martius den Essay Como se deve escrever a história do Brasil ein, der für eine Strukturierung der brasilianischen Geschichte auf Basis einer ethnischen Dreiteilung (indigene, europäische und afrikanische Einflüsse) argumentierte. In Brasilien, wo zu dieser Zeit der Sklavenhandel noch nicht verboten war, erregte der Aufsatz erst in den 1930er-Jahren wirklich große Aufmerksamkeit und wirkt bis heute als Gründungstext der brasilianischen Geschichtsschreibung nach.[7]


Weitere wissenschaftliche Laufbahn


Büste im Münchner Botanischen Garten
Büste im Münchner Botanischen Garten

1820 wurde Martius in Anerkennung seiner Leistungen bei der Brasilienreise als Ritter des Verdienstordens der Bayerischen Krone in den bayerischen persönlichen Adelsstand erhoben und zum ordentlichen Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften ernannt. 1826 erhielt er eine Professur an der Universität München. 1832 wurde er Direktor des Münchner Botanischen Gartens. Im selben Jahr wurde er Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften. 1840 zeichnete ihn die portugiesische Königin Maria II. mit dem Ritterkreuz des Ordens Unserer Lieben Frau von Vila Viçosa aus.[8] 1845 wurde er in die American Academy of Arts and Sciences und 1855 in die Royal Society of Edinburgh gewählt. 1853 erhielt er den Bayerischen Maximiliansorden für Wissenschaft und Kunst.[9]

Martius war ein bekanntes Mitglied der Münchner Gesellschaft, und in seinem Hause waren viele Wissenschaftler zu Gast. Insbesondere wurde jedes Jahr ein Linné-Fest (23. Mai) mit Liedern, Gedichten und Reden gehalten.[10] Nachdem 1854 König Maximilian II. wegen der Ersten Allgemeinen Deutschen Industrieausstellung den Botanischen Garten deutlich verkleinern ließ, um den Glaspalast zu errichten, trat Martius vorzeitig vom Amt des Direktors des Botanischen Garten zurück.

Martius heiratete 1823 Franziska von Stengel, eine Tochter des Ministerialbeamten Georg von Stengel. Sein Sohn war der Chemiker und Agfa-Gründer Carl Alexander von Martius (1838–1920).

Nach Martius’ Tod wurde seine private Pflanzensammlung großteils nach Brüssel verkauft. Die bedeutenden Aufsammlungen aus Brasilien sind jedoch nach wie vor ein wertvoller Bestand der Botanischen Staatssammlung.[11]


Grabstätte


Grab von Carl Martius auf dem Alten Südlichen Friedhof in München Standort48.12736111111111.56625
Grab von Carl Martius auf dem Alten Südlichen Friedhof in München Standort

Die Grabstätte von Carl Martius befindet sich auf dem Alten Südlichen Friedhof in München (Mauer Links Platz 312 bei Gräberfeld 15) Standort. In diesem Grab liegt auch der Anatom und Physiologe Michael Pius Erdl.[12]


Posthume Ehrungen


Martius zu Ehren wurden die Pflanzengattungen Martiodendron Gleason aus der Pflanzenfamilie der Hülsenfrüchtler (Fabaceae), Martianthus Harley & J.F.B.Pastore aus der Familie der Lippenblütler (Lamiaceae) und Martiusella Pierre aus der Familie der Sapotengewächse (Sapotaceae) benannt.

Die Von-Martius-Straße in Bad Reichenhall trägt seinen Namen, ebenso die Martiusstraße in München-Schwabing.

Martius ist – mit Hans Staden – Namensgeber des Institut Martius-Staden in São Paulo, das sich der Erforschung der Geschichte der deutschen Einwanderung nach Brasilien und dem deutsch-brasilianischen Kulturaustausch widmet.[13]


Werke



Quellen und weiterführende Informationen



Quellen



Literatur



Einzelnachweise


  1. Karl Mägdefrau: Martius, Carl Ritter von. In: Neue Deutsche Biographie. 16, 1990, S. 310–312.
  2. J. B. Spix und C.F.PH. Martius: Reise in Brasilien auf Befehl Sr. Majestät ... Band 3, 1831, S. 1387.
  3. Frederik Schulze: Konzepte von Physiognomie und Rasse bei Martius. In: Revista Contingentia 3.2008,2, S. 117–132.
  4. Andreas Bresinsky: Carl Friedrich Philipp von Martius und sein Roman „Frey Apollonio“ im Blick auf das Amazonasbecken Brasiliens vor zwei Jahrhunderten In: Hoppea, Denkschr. Regensb. Bot. Ges. 78 (2017): 7–21.
  5. Schönitzer, Klaus: From the new to the old world. Two indigenous children brought back to Germany by Johann Baptist Spix and Carl Friedrich Martius. In: Journal Fünf Kontinents. Band 1, 2015, S. 78105 (schoenitzer.de [PDF]).
  6. Fonseca, W. Dias da: Das Kreuz von Santarem. In: Staden-Jahrbuch. Band 42, 1994, S. 113117.
  7. Ursula Prutsch, Enrique Rodrigues-Moura: Brasilien. Eine Kulturgeschichte. 2. Auflage. Transcript, Bielefeld 2014, ISBN 978-3-8376-2391-8, S. 65.
  8. Regierungsblatt für das Königreich Bayern, Nr. 49, München, 7. Dezember 1840
  9. Hans Körner: Der Bayerische Maximiliansorden für Wissenschaft und Kunst und seine Mitglieder. In: Zeitschrift für Bayerische Landesgeschichte. Band 47, 1984, S. 299–398. (periodika.digitale-sammlungen.de).
  10. S. von Moisy: Martius in München. Streiflichter aus dem häuslichen und geselligen Leben. In: J. Helbig (Hrsg.): Brasilianische Reise 1817 - 1820. Hirmer Verl., München 1994, S. 85116.
  11. H. Förter: Die Geschichte des Martius-Herbariums: seine Brasilienkollektion und Empfehlungen zur Typenwahl. In: Sendtneria. Band 2, 1994, S. 524.
  12. Das gemeinsame Grab von Martius und Erdl (Memento des Originals vom 7. Februar 2017 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.alter-suedfriedhof-muenchen.online
  13. O Instituto Martius-Staden de Ciências, Letras e Intercâmbio Cultural Brasileiro-Alemão, abgerufen am 27. Februar 2014.
  14. Benjamin Dayton Jackson: The new ‘Index of Plant-Names’. In: The Botanical Journal – British and Foreign. Band XXV. West, Newman & Co., London 1887, S. 66–71.


Commons: Carl Friedrich Philipp von Martius – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Personendaten
NAME Martius, Carl Friedrich Philipp von
ALTERNATIVNAMEN Martius, Carl Friedrich Philipp Ritter von (vollständiger Name); Martius, Carl Friedrich Philipp (Geburtsname)
KURZBESCHREIBUNG deutscher Naturforscher, Botaniker und Ethnograph
GEBURTSDATUM 17. April 1794
GEBURTSORT Erlangen
STERBEDATUM 13. Dezember 1868
STERBEORT München

На других языках


- [de] Carl Friedrich Philipp von Martius

[en] Carl Friedrich Philipp von Martius

Carl Friedrich Philipp (Karl Friedrich Philipp) von Martius (17 April 1794 – 13 December 1868) was a German botanist and explorer.

[ru] Марциус, Карл Фридрих Филипп фон

Карл Фри́дрих Фили́пп фон Ма́рциус (нем. Carl Friedrich Philipp von Martius; 17 апреля 1794, Эрланген — 13 декабря 1868, Мюнхен) — немецкий натуралист, ботаник и этнограф.



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